Wann kann die Pflegekasse den Pflegegrad verringern?

Wann kann die Pflegekasse den Pflegegrad verringern?

Der Pflegegrad, den die Pflegekasse festgestellt hat, bleibt nicht automatisch für alle Zeit erhalten. Vielmehr kann er erhöht, aber genauso auch gesenkt werden. Doch wann kann die Pflegekasse den Pflegegrad verringern? Und was sollte der Betroffene dann beachten? Wir geben Antworten!

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Wann kann die Pflegekasse den Pflegegrad verringern

Wann nimmt die Pflegekasse eine Höher- oder Rückstufung vor?

Die Höhe der Leistungen aus der Pflegeversicherung ergibt sich aus dem festgestellten Pflegegrad. Dazu findet eine Begutachtung statt, die der Medizinische Dienst (MD) oder ein anderer Gutachterdienst durchführt. Anschließend erlässt die Pflegekasse einen Bescheid, in dem sie dem Betroffenen den festgestellten Pflegegrad mitteilt.

Die Zuordnung des Pflegegrades gilt aber nicht automatisch auf Lebenszeit. Es kann passieren, dass sich der gesundheitliche Zustand des Pflegebedürftigen verschlechtert.

Nehmen seine Fähigkeiten ab und verliert er noch mehr seiner Selbstständigkeit, kann eine Höherstufung, also die Einordnung in einen höheren Pflegegrad beantragt werden.

Andersherum kann sich der Gesundheitszustand aber auch verbessern. Lernt der Pflegebedürftige zum Beispiel nach einem Schlaganfall wieder alleine zu essen oder zu laufen oder gewinnt er andere Fähigkeiten hinzu, besteht die Pflicht, die Pflegekasse über die Veränderungen zu informieren.

Stellt ein neues Gutachten dann einen geringeren Pflegegrad fest, kann die Pflegekasse eine Rückstufung vornehmen. Allerdings setzt eine Rückstufung voraus, dass gewisse Bedingungen erfüllt sind.

Wann findet eine erneute Begutachtung statt?

Es gibt verschiedene Fälle, in denen der MD die Begutachtung wiederholt. Manchmal steht schon im Erstgutachten die Empfehlung, die Begutachtung nach einer gewissen Zeit erneut durchzuführen.

Das ist der Fall, wenn der Gutachter den Eindruck hat, dass sich der Zustand des Pflegebedürftigen verbessern wird oder eine positive Entwicklung zu erwarten ist.

Teilweise gewährt die Pflegekasse die Leistungen nur befristet. Dann veranlasst sie automatisch eine erneute Begutachtung, bevor die Frist abläuft.

Außerdem ist eine Wiederholungsbegutachtung möglich, wenn der Pflegebedürftige die Pflegekasse über eine Verbesserung seines Gesundheitszustandes informiert hat oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Verbesserung eingetreten ist, etwa nach einer Reha oder einer Operation.

Gleiches gilt, wenn der Pflegebedürftige andersherum einen höheren Pflegegrad beantragt. Entspricht die Pflegekasse dem Antrag, ordnet sie einen höheren Pflegegrad zu und übernimmt künftig auch entsprechend höhere Leistungen.

Stellt das neue Gutachten hingegen den gleichen Pflegegrad fest, der schon besteht, lehnt die Pflegekasse den Antrag auf eine Höherstufung ab.

Es kommt aber auch vor, dass der Pflegebedürftige einen höheren Pflegegrad beantragt, bei der erneuten Begutachtung aber ein niedrigerer Pflegegrad festgestellt wird. In diesem Fall wird die Pflegekasse eine Rückstufung vornehmen wollen.

Gegen alle Entscheidungen, die nicht dem Antrag entsprechen, kann der Pflegebedürftige Widerspruch einlegen und im nächsten Schritt, wenn der Widerspruch erfolglos bleibt, klagen.

Stichwort: Verwaltungsakt mit Dauerwirkung

Stellt ein neues Gutachten fest, dass der zuvor ermittelte Pflegegrad nicht mehr gegeben ist, leitet die Pflegekasse ein Verfahren ein, um die Leistungen zu verringern.

Die vorherige Einstufung in einen Pflegegrad und die Bewilligung der dazugehörigen Leistungen hatte für den Pflegebedürftigen eine dauerhafte Wirkung. Denn die Leistungen waren keine Einmal-Leistung, sondern wurden auf Dauer gewährt.

Aus diesem Grund handelt es sich bei der Entscheidung der Pflegekasse um einen sogenannten Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.

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Der Gesetzgeber sieht vor, dass ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nur dann aufgehoben werden kann, wenn sich die Verhältnisse wesentlich verändert haben.

Allein ein neues Gutachten, das einen niedrigeren Pflegegrad ermittelt als vorher, reicht deshalb für eine Verringerung des Pflegegrads und der Versicherungsleistungen nicht aus.

Stattdessen muss die Pflegekasse aufzeigen, welche wesentlichen Veränderungen sich seit der Erstbegutachtung ergeben haben.

Solche wesentlichen Veränderungen wären zum Beispiel eingetreten, wenn der Pflegebedürftige nach einem Schlaganfall gelähmt war und dadurch sowohl bei der Körperpflege als auch bei der Nahrungsaufnahme Hilfe brauchte.

Nach intensiven Therapien hat er sich diese Fähigkeiten wieder angeeignet, sodass die Hilfestellung nicht mehr notwendig ist.

Wie läuft das Verfahren ab, wenn die Pflegekasse den Pflegegrad verringern will?

Die Pflegekasse kann den Pflegegrad und die Pflegeleistungen nicht ohne Weiteres reduzieren. Auch ein entsprechender Bescheid reicht dafür nicht aus. Weil die Kürzung in die Rechte des Pflegebedürftigen eingreift, muss er zunächst angehört werden.

Das ist gesetzlich vorgeschrieben. Aus diesem Grund erhält der Pflegebedürftige ein Schreiben von der Pflegekasse, in dem sie über ihre Absicht, den Pflegegrad zu verringern, informiert.

Gleichzeitig gibt sie dem Pflegebedürftigen die Gelegenheit, innerhalb einer bestimmten Frist Stellung zu nehmen.

Ist der Pflegebedürftige mit der geplanten Rückstufung nicht einverstanden, sollte er eine Stellungnahme verfassen und darin der Pflegekasse erläutern, dass und warum dem so ist.

Dabei kommt es im Anhörungsverfahren vor allem auf zwei Fragen an:

  • Haben sich die Verhältnisse wesentlich verändert? Der Pflegebedürftige sollte das Erstgutachten mit dem neuen Gutachten vergleichen. Ergibt sich aus dem Vergleich oder dem Bescheid eine wesentliche Veränderung? Und beschreibt das Gutachten diese Veränderung richtig? Wenn nicht, sollte der Pflegebedürftige in der Begründung seiner Stellungnahme ausführlich darauf eingehen.
  • Stimmt die Punktebewertung zum Pflegegrad? Im zweiten Schritt sollte der Pflegebedürftige überprüfen, wie der MD den Pflegegrad im Wiederholungsgutachten ermittelt hat. Sind die Bewertungen falsch, sollte der Pflegebedürftige die jeweiligen Punkte auflisten und erklären, warum sie nicht den Tatsachen entsprechen.

Die Stellungnahme kann zu zwei Ergebnissen führen. So kann die Pflegekasse die Leistungen zunächst weiter gewähren und die Pflegebedürftigkeit noch einmal überprüfen.

Oder die Pflegekasse erlässt einen Aufhebungsbescheid. Ein Aufhebungsbescheid erfolgt übrigens auch dann, wenn sich der Pflegebedürftige innerhalb der Anhörungsfrist nicht äußert.

Was kann der Pflegebedürftige tun, wenn er einen Aufhebungsbescheid bekommen hat?

Durch den Aufhebungsbescheid teilt die Pflegekasse dem Pflegebedürftigen mit, dass sie die Leistungen einstellt oder kürzt. Eingestellt werden die Leistungen, wenn kein Pflegegrad mehr vorliegt.

Eine Rückstufung erfolgt, wenn ein niedrigerer Pflegegrad festgestellt wurde. In dem Bescheid steht dann, dass der ursprüngliche Bescheid zur Gewährung der Leistungen aufgehoben wird.

Gleichzeitig informiert die Pflegekasse darüber, ab wann keine Leistungen oder nur das Pflegegeld für den neuen Pflegegrad bezahlt werden.

Ist der Pflegebedürftige mit der Entscheidung nicht einverstanden, kann er Widerspruch einlegen. Dafür hat er ab dem Zugang des Aufhebungsbescheids einen Monat lang Zeit.

Um die Frist zu wahren, genügt es, wenn er zunächst nur seinen Widerspruch erklärt. Die Begründung kann er auch später nachreichen.

In der Begründung kann der Pflegebedürftige noch einmal auf die Punkte eingehen, die er bereits in der Stellungnahme ausgeführt hat.

Die Pflegekasse veranlasst nun ein Widerspruchsgutachten. Anschließend erlässt sie einen Bescheid. Darin kann sie dem Antrag des Pflegebedürftigen stattgeben oder den Widerspruch abweisen. In letzterem Fall steht dem Pflegebedürftigen eine Klage vor dem Sozialgericht offen.

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Was hat es mit dem Bestandschutz auf sich?

Mit Jahresbeginn 2017 wurde das Pflegesystem umgestellt. Die drei früheren Pflegestufen wurden dabei in fünf Pflegegrade umgewandelt. Personen, die damals von einer Pflegestufe in einen Pflegegrad übergeleitet wurden, haben einen sogenannten Bestandschutz.

Bestandschutz bedeutet in diesem Fall, dass die Pflegekasse den Pflegegrad nur erhöhen, aber nicht verringern kann. Selbst wenn bei einer späteren Begutachtung ein niedrigerer Pflegegrad festgestellt wird, ist wegen der Bestandschutz-Regelungen eine Rückstufung ausgeschlossen.

Es gibt nur eine einzige Ausnahme:

Bei einer Wiederholungsbegutachtung wird gar kein Pflegegrad mehr festgestellt. Zeigt eine erneute Begutachtung, dass keine Pflegebedürftigkeit mehr vorliegt, kann die Pflegekasse unabhängig vom Bestandsschutz also die Zahlung des Pflegegeldes einstellen.

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Heiner Trautmann, - Pflegedienstleitung, Anita Bokel, - Stationsleiterin, Peter Machinski, Inhaber Agentur für Altenpflege und Haushaltshilfen, Mike Bocholt, Pflege-Qualitätsmangament und Christian Gülcan Inhaber & Gründer Haushaltshilfen-Agentur Senioren-Familienservice und Betreiber dieser Webseite, schreiben hier Wissenswertes, Ratgeber und Tipps zum Thema Pflege, Betreuung, Gesundheitsthemen, Haushaltshilfen und Versorgung. Unsere Inhalte sind in keiner Weise ein Ersatz für professionelle Diagnosen, Beratungen oder Behandlungen durch ausgebildete und anerkannte Ärzte/Ärztinnen.

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