Pflege und Beruf vereinen – die Möglichkeiten im Überblick, Teil 1
Ein naher Angehöriger wird plötzlich zum Pflegefall. Also muss seine künftige Betreuung organisiert werden. Vielleicht möchte auch ein Familienmitglied die Pflege selbst übernehmen. Allerdings ist da noch die Berufstätigkeit. – Diese Situation kommt sehr oft vor.
Deshalb hat der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten auf den Weg gebracht, um pflegende Angehörige zu unterstützen. Dazu gehören zum einen unterschiedliche Auszeiten, die eine Pflegeperson vom Beruf nehmen kann. Zum anderen gibt es finanzielle Hilfen, die Lohneinbußen auffangen sollen.
In einem zweiteiligen Beitrag stellen wir die Möglichkeiten vor, die ein Angehöriger nutzen kann, um Pflege und Beruf miteinander zu vereinen:
Inhalt
Wer gehört zum Kreis der nahen Angehörigen?
Die verschiedenen Möglichkeiten, die der Gesetzgeber als Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf vorsieht, gelten stets für nahe Angehörige. Die pflegebedürftige Person muss also ein naher Angehöriger der Pflegeperson sein und umgekehrt.
Dabei zählt der Gesetzgeber
- Ehegatten und Lebenspartner,
- Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft,
- Eltern, Stiefeltern und Schwiegereltern,
- Großeltern,
- leibliche Kinder, Adoptiv- und Pflegekinder, sowohl eigene als auch die des Partners,
- Enkel und Schwiegerkinder,
- Geschwister sowie
- Schwägerinnen und Schwager
zu den nahen Angehörigen. Wird eine Person aus diesem Kreis zum Pflegefall, kann die pflegende Person als naher Angehöriger von den verschiedenen Formen der Freistellung Gebrauch machen.
Die kurzzeitige Arbeitsverhinderung
Ist die Pflegesituation akut eingetreten, kann sich die Pflegeperson spontan bis zu zehn Tage lang von der Arbeit freistellen lassen. Der Gesetzgeber spricht hier von einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung.
Ein typischer Fall ist etwa dann, wenn ein naher Angehöriger einen schweren Schlaganfall erlitten hat und dadurch künftig auf Pflege angewiesen ist. Bei einer solchen Pflegebedürftigkeit, die plötzlich und unerwartet eingetreten ist, kann die Pflegeperson für maximal zehn Arbeitstage zu Hause bleiben.
Die Freistellung ist dafür gedacht, eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder die Pflege in der akuten Situation sicherzustellen. Vorher ankündigen muss die Pflegeperson die kurzfristige Arbeitsverhinderung nicht. Stattdessen kann sie den Arbeitgeber von heute auf morgen darüber informieren.
Dauer und Anspruch
Der Anspruch auf die Freistellung beläuft sich auf insgesamt zehn Arbeitstage pro pflegebedürftigem Angehörigen. Die Pflegeperson muss die zehn Tage aber nicht am Stück in Anspruch nehmen. Stattdessen kann sie die Zeit aufteilen und sich zum Beispiel zweimal für fünf Tage freistellen lassen.
Außerdem kann der Anspruch auf mehrere Pflegepersonen aufgeteilt werden. Wird beispielweise der Vater plötzlich zum Pflegefall, kann sich ein Kind sechs Arbeitstage und das andere Kind vier Arbeitstage freinehmen.
Nur die Gesamtzeit von zehn Arbeitstagen darf nicht überschritten werden. Wird aber ein weiterer Angehöriger zum Pflegefall, ergibt sich der Anspruch auf die zehntätige Arbeitsverhinderung für ihn erneut.
Der Anspruch, im Rahmen der kurzfristigen Arbeitsverhinderung bis zu zehn Arbeitstage lang der Arbeit fernzubleiben, gilt für alle Arbeitnehmer. Die Unternehmensgröße spielt dabei keine Rolle. Und es gibt keine Ankündigungsfrist.
Die Pflegeperson kann die Freistellung also sofort nutzen. Allerdings muss sie den Arbeitgeber darüber informieren, warum sie der Arbeit fernbleibt und wie lange sie voraussichtlich ausfallen wird.
Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung
Während der kurzfristigen Arbeitsverhinderung zahlt der Arbeitgeber den Lohn nur dann weiter, wenn es dazu eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag gibt. Ansonsten erhält die Pflegeperson das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld.
Diese Lohnersatzleistung ist seit Januar 2015 vorgesehen und beläuft sich auf mindestens 90 Prozent des ausgefallenen Netto-Lohns. Die Pflegeperson muss die Leistung bei der Pflegekasse des pflegedürftigen Angehörigen beantragen.
Gewährt wird das Pflegeunterstützungsgeld unabhängig davon, ob beim Angehörigen schon ein Pflegegrad festgestellt wurde oder ob nicht. Allerdings kann es sein, dass die Pflegekasse eine ärztliche Bescheinigung verlangt, die den Eintritt der Pflegebedürftigkeit bestätigt.
Die Pflegezeit
Um einen pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause zu pflegen, kann die Pflegeperson bis zu sechs Monate lang beruflich kürzer treten oder komplett aus dem Beruf aussteigen. Möglich ist das im Rahmen der sogenannten Pflegezeit.
Nach der Pflegezeit hat die Pflegeperson dann ein Recht darauf, wieder in Vollzeit an ihren alten Arbeitsplatz zurückzukehren.
Der Anspruch
Ein gesetzlicher Anspruch auf die Pflegezeit besteht dann, wenn der Arbeitgeber mindestens 15 weitere Mitarbeiter beschäftigt. Zu den Mitarbeitern zählen neben Teilzeit- und Vollzeitkräften auch Azubis. In einem kleineren Betrieb kann die Pflegeperson die Pflegezeit vielleicht auf freiwilliger Basis mit ihrem Arbeitgeber vereinbaren.
Möchte die Person die Pflegezeit in Anspruch nehmen, muss sie ihren Arbeitgeber spätestens zehn Tage vorher darüber informieren. Außerdem muss sie ihm mitteilen, wie lange die Pflegezeit andauern, um wie viele Stunden die Arbeitszeit gekürzt und wie die Arbeitszeit während der Pflegezeit verteilt werden soll.
Übrigens:
Ist ein akuter Pflegefall eingetreten, kann die Pflegeperson zunächst die kurzzeitige Arbeitsverhinderung in Anspruch nehmen und ihrem Arbeitgeber gleichzeitig die Pflegezeit ankündigen. So hält sie die Frist ein und kann die Pflege nahtlos gestalten.
Generell sollte beim Angehörigen bereits ein Pflegegrad festgestellt worden sein. Falls dem nicht so ist, sollte die Pflegeperson schnellstmöglich Leistungen bei der Pflegeversicherung des Angehörigen beantragen.
Teilt sie der Pflegekasse dabei mit, dass sie beim Arbeitgeber bereits eine Pflegezeit angekündigt hat, ist der Medizinische Dienst dazu verpflichtet, die Begutachtung innerhalb von zwei Wochen durchzuführen und sein Ergebnis unverzüglich mitzuteilen.
Finanzielle Unterstützung
Lässt sich die Pflegeperson für die Pflegezeit teilweise oder ganz von der Arbeit freistellen, richtet sich das Arbeitsentgelt nach der geleisteten Arbeit. Reduziert die Pflegeperson ihre Arbeitszeit, bekommt sie also ein anteiliges Gehalt. Konzentriert sie sich komplett auf die Pflege und lässt die Arbeit ruhen, verdient sie kein Geld.
Um die Einkommensverluste aufzufangen, besteht seit Januar 2015 die Möglichkeit, ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zu beantragen. Das Darlehen wird monatlich ausgezahlt und die Ratenhöhe kann bis zu 50 Prozent des ausgefallenen Netto-Gehalts betragen.
Sobald die Pflegeperson wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehrt und ihr volles Gehalt verdient, zahlt sie das Darlehen dann in der gleichen Ratenhöhe zurück.
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Thema: Pflege und Beruf vereinen – die Möglichkeiten im Überblick, Teil 1
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