Ausführlicher Ratgeber zum Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz, 6. Teil

Ausführlicher Ratgeber zum Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz, 6. Teil

Wer auf Pflege und Betreuung angewiesen ist, ist gleichzeitig von der Einrichtung abhängig, die die Pflege- und Betreuungsleistungen erbringt. Um Betroffene zu schützen, in ihren Rechten zu stärken und mögliche Nachteile auszugleichen, hat der Gesetzgeber das sogenannte Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz, kurz WBVG, auf den Weg gebracht.

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Ausführlicher Ratgeber zum Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz, 6. Teil

Allerdings können Betroffene nur dann von gesetzlichen Regelungen profitieren, wenn sie ihre Rechte überhaupt kennen. Aus diesem Grund haben wir einen ausführlichen Ratgeber zum Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz zusammengestellt.

In einzelnen Beiträgen haben wir erklärt, wann das Gesetz greift, wie die Informationspflichten des Anbieters aussehen und welche Inhalte der Vertrag haben muss. Außerdem haben wir erläutert, wie die vertraglichen Vereinbarungen umgesetzt werden und was der Betroffene bei Konflikten mit dem Anbieter unternehmen kann.

Jetzt, im 6. und letzten Teil der Beitragsreihe, nehmen wir uns die Kündigung vor:

Wann und wie kann der Betroffene den Vertrag kündigen?

Zunächst einmal kann der Vertrag zwischen dem Betroffenen und dem Anbieter dadurch enden, dass die vereinbarte Vertragsdauer abläuft. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der Betroffene einen Vertrag mit einer Kurzzeitpflegeeinrichtung geschlossen und darin eine Dauer von drei Monaten vereinbart hat.

Nach den drei Monaten endet dieser Vertrag dann automatisch, eine Kündigung ist nicht notwendig. Den zeitlich befristeten Vertrag vor Ablauf ordentlich zu kündigen, ist grundsätzlich nicht möglich. Es sei denn, diese Möglichkeit ist im Vertrag ausdrücklich benannt. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund hingegen bleibt beiden Vertragspartnern auch bei einem zeitlich befristeten Vertrag vorbehalten.

Zieht der Betroffene in eine Pflege- oder betreute Wohneinrichtung, wird der Vertrag meist auf unbestimmte Zeit geschlossen. Entscheidet sich der Betroffene zu diesem Schritt, möchte er schließlich nicht schon bald wieder umziehen.

Trotzdem kann es natürlich passieren, dass der Betroffene nicht in dieser Einrichtung bleiben will oder kann.

In diesem Fall gibt es mehrere Möglichkeiten:

Kündigung noch während der Probezeit

Die ersten zwei Wochen gelten als Probezeit. Während der Probezeit kann der Betroffene den Vertrag jederzeit und ohne Kündigungsfrist beenden, beispielsweise wenn die Einrichtung doch nicht seinen Erwartungen entspricht.

Dabei beginnt die Zwei-Wochen-Frist mit dem Tag, an dem der Bewohner in die Einrichtung einzieht. Hat er zu diesem Zeitpunkt seine Ausfertigung vom unterschriebenen Vertrag noch nicht bekommen, läuft die Probezeit ab dem Zeitpunkt, an dem ihm sein Vertragsexemplar ausgehändigt wird.

Ordentliche Kündigung

Nach Ablauf der Probezeit kann der Betroffene den Vertrag mit dem Anbieter jederzeit durch eine ordentliche Kündigung beenden. Dafür braucht er keinen besonderen Grund. Allerdings muss er die Kündigungsfrist einhalten.

Und dabei gilt:

Die Kündigung muss dem Anbieter spätestens am dritten Werktag eines Monats vorliegen, damit sie zum Monatsende wirksam werden kann. Maßgeblich dabei ist tatsächlich der dritte Werktag, nicht der dritte Tag des Monats. Ist der dritte Tag ein Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschiebt sich der Stichtag entsprechend.

Ein Beispiel:

Der Bewohner möchte den Vertrag zum 31. Januar kündigen. Weil der 1. Januar ein gesetzlicher Feiertag und somit kein Werktag ist, muss die Kündigung spätestens am 4. Januar beim Anbieter eingegangen sein. Erhält der Anbieter das Kündigungsschreiben hingegen erst am 8. Januar, kann die Kündigung zum Monatsende nicht mehr wirksam werden. Stattdessen endet der Vertrag dann zum Ende des nächsten Monats, in diesem Fall also zum 28. Februar.

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Außerordentliche Kündigung

Ein Sonderkündigungsrecht ergibt sich dann, wenn der Anbieter die Entgelte erhöht. Der Betroffene kann in diesem Fall den Vertrag zu dem Zeitpunkt kündigen, ab dem die Entgelterhöhung wirksam werden soll.

Daneben ist eine außerordentliche Kündigung möglich, wenn der Anbieter die vertraglich vereinbarten Leistungen gar nicht oder nur mangelhaft erbringt. Und wenn dem Betroffenen deshalb nicht zuzumuten ist, bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist in der Einrichtung zu bleiben und das Entgelt zu bezahlen. Schwerwiegende Pflegefehler oder ständige Verletzungen der Privatsphäre sind typische Beispiele, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können.

Bei einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund muss der Betroffene keine Kündigungsfrist einhalten. Allerdings sollte er darauf achten, dass er alle Verträge in seine Kündigung einschließt.

Hat er für den Wohnraum und die Pflege oder Betreuung nämlich jeweils eigenständige Verträge geschlossen, kann es passieren, dass er nach der Kündigung des Wohnraums aus der Einrichtung auszieht, die Pflegeleistungen aber trotzdem bezahlen muss, weil dieser Vertrag noch läuft.

Welche Kündigungsrechte hat der Anbieter?

Im Unterschied zum Betroffenen hat der Anbieter nicht das Recht, den Vertrag durch eine ordentliche Kündigung zu beenden. Er hat lediglich ein außerordentliches Kündigungsrecht.

Davon wiederum kann der Anbieter nur dann Gebrauch machen, wenn ein schwerwiegender Grund vorliegt, der es für ihn unzumutbar macht, das Vertragsverhältnis fortzuführen. Wie der Betroffene muss auch der Anbieter immer schriftlich kündigen.

Welche Gründe eine außerordentliche Kündigung durch den Anbieter rechtfertigen, ist beispielhaft im Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz aufgeführt. Die Liste unter § 12 ist zwar nicht abschließend. Doch wenn der Anbieter andere Gründe angibt, müssen sie ähnlich bedeutungsschwer sein.

Und:

Hat der Betroffene getrennte, aber voneinander abhängige Verträge über den Wohnraum und die Pflege oder Betreuung geschlossen und kündigt der Anbieter einen der Verträge, kann der Betroffene alle andere Verträge außerordentlich kündigen. Eine Kündigungsfrist muss er dabei nicht einhalten. Vielmehr kann er in diesem Fall alle Vertragsbeziehungen zum gleichen Zeitpunkt beenden, selbst wenn die anderen Verträge längere Kündigungsfristen vorsehen.

Was wird aus dem Vertrag, wenn der Betroffene stirbt?

Verstirbt der Betroffene, enden damit grundsätzlich sowohl das Vertragsverhältnis als auch die Zahlungspflicht. Allerdings können im Vertrag Vereinbarungen getroffen werden, die von diesem Grundsatz abweichen.

Diese Vereinbarungen können sich zum einen auf den Umgang mit dem Nachlass und zum anderen auf den Wohnraum beziehen. Was personenbezogene Dienstleistungen im Bereich der Pflege und der Betreuung angeht, sind keine Ausnahmen zulässig. Verträge, die sich darauf beziehen, enden mit dem Tod des Betroffenen.

Vereinbarungen zum Umgang mit dem Nachlass

Der Vertrag kann und sollte regeln, was mit den persönlichen Dingen des Betroffenen geschehen soll. Wie ausführlich die Vereinbarungen sind, richtet sich danach, was der Betroffene in die Einrichtung mitbringt. So müssen für Kleidung und Möbel beispielsweise andere Regelungen getroffen werden als für Wertgegenstände oder Haustiere.

Im Vertrag darf der Anbieter jedenfalls nicht pauschal festlegen, dass er den Wohnraum automatisch räumt. Zulässig ist aber, dass der Anbieter eine Frist setzt, bis wann die Angehörigen das Zimmer ausräumen und die Gegenstände des Betroffenen abholen müssen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Anbieter dann die Räumung auf Kosten der Erben veranlassen und/oder die Gegenstände des Verstorbenen kostenpflichtig einlagern.

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Vereinbarungen zum Fortbestand des Wohnraumvertrags

Der Vertrag über den Wohnraum kann eine Klausel enthalten, nach der das Vertragsverhältnis über den Tod des Betroffenen hinaus fortgeführt wird. Möglich ist eine solche Vereinbarung aber nur dann, wenn der Betroffene

  • zu den sogenannten Privatzahlern gehört, die Kosten für den Wohnraum und die Pflege- oder Betreuungsleisten also aus eigenen Mitteln bezahlt,

oder

  • zwar Leistungen aus der Pflegeversicherung oder Sozialhilfe bezieht, aber nicht in einem klassischen Pflegeheim wohnt.

Gehört der Betroffene zu diesem Personenkreis, kann der Wohnraumvertrag nach dem Todestag bis zu zwei Wochen lang weiterlaufen. Die Erben müssen die Wohnraumkosten in diesem Fall für den vereinbarten Zeitraum weiterzahlen, allerdings gekürzt um die Aufwendungen, die der Anbieter durch den leerstehenden Wohnraum einspart.

Wird das Zimmer vor Ablauf der vereinbarten Frist aber von einem neuen Bewohner bezogen, endet damit natürlich auch der Vertrag samt Zahlungspflicht.

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